„Der stellvertretende Ding-Berichterstatter wird in diesem Dialog nicht bloß von seinen menschlichen Akteuren animiert, auch er animiert sein Gegenüber“1
Am Anfang meiner Arbeit steht die Beobachtung des Stadtraums. Plakate, Graffitis, Mobiliar, Straßenschilder, Stromkästen, Sperrmüll – durch Greifbares entsteht ein Raum. Ich assoziiere und die Dinge verformen sich; ich gewinne den beiläufig gefundenen Gegenständen eine Wertigkeit ab und spreche sie ihnen zugleich zu. Hier beginnt meine Beschreibung: eine Fiktion.
Den Weg dahin eröffne ich mir durch die Linie. Dabei gehe ich sammelnd vor, Beobachtetes und Ideen werden in zahlreichen Zeichnungen festgehalten. Vom Resultat dieser Kritzeleien und intuitiven Entwürfe bleiben wenige Skizzen übrig, mit denen ich arbeite. Dabei interessieren mich einfache Formkombinationen, zum Beispiel die Abbildung des Streckenverlaufs auf einer Fahrplaninformation: Eine vertikale Linie, die durch Punkte unterbrochen ist, welche die einzelnen Stationen darstellen. Das Piktogramm oder Symbol erhält in der Zeichnung, losgelöst von seinem eigentlichen Kontext, einen eigenen Charakter, eine Wesenhaftigkeit. Formal zeichnet diesen speziellen Charakter seine Flachheit aus – eine Zweidimensionalität, die inhaltlich auf einen bestimmten Sachverhalt referiert und außerdem sich selbst darstellt.
Das Gezeichnete bildet mein visuelles Ausgangsmaterial: gedanklicher Rohstoff in elementarer Gestalt. Die Selektion des Materials folgt der Frage, was überrascht. In der Vielfalt des Beobachteten suche ich den Moment, der mich wieder möglichst nah an den Ort des Greifbaren trägt: dahin, wo Substanz und Assoziation zusammenkommen. Aus diesem Sinngefüge heraus entstehen Skulpturen und wandhängende Teppiche, in denen mir der naive Umgang mit dem Raum wichtig ist. Das meint: Dass die Qualität eines Körpers von der Fläche ausgeht und erst im Arbeitsprozess ein Raumbezug hergestellt wird. Wo die Fläche den Charakter einer Form nicht erschöpfend beschreibt, beginnt die Bewegung in den Raum. Hierin, im buchstäblichen Aufbrechen des Rahmens, liegt meine derzeitige Suche, hier ergibt sich das Feld, in dem ich forsche: Welche Auskunft gibt die Silhouette eines Körpers über dessen Charakter?
Ich färbe, schneide, klebe, falte Stoffformen zurecht und kombiniere ihre unterschiedlichen Texturen miteinander, fülle Formen mit Schaumstoff und bemale sie partiell in weiteren Schritten. Dem Neuordnen und Arrangieren der Flächen widme ich dabei viel Zeit, um herauszufinden, welche Analogien zur Ideenquelle in den Kombinationen liegen und wie eine eigenständige Qualität der Arbeit zustandekommt. Es handelt sich bei diesem Prozess nicht um das Ausführen eines Konzeptes, sondern um das Bauen und Spielen, ein Improvisieren, das von Zufällen und meiner Reaktion auf diese getragen wird und das sich im Ausstellungsraum fortsetzt.
Ich verstehe meine aktuellen Arbeiten als Selbstporträts – derart, dass der menschliche Leib als Vermittler eines Selbstbildes ausgespart wird und stattdessen Dinge zu Hauptakteuren des Handlungsnetzwerkes „Selbstporträt“ werden. Ich als Betrachter trage mich wie ein Sammler meines Umfeldes in die entdeckten Gegenstände ein, indem ich sie interpretiere und nachempfinde. Im Nachbau mit Stoffelementen, Schaumstoff und Farbe ist die „Eigenhändigkeit“ Akt einer Selbstvergewisserung: ein Prozess mimetischer Annäherung an die Quelle. Die Abbildung einer Sache wird zur Verkörperung meiner selbst.